Chronologie der Bürgerinitiative „Alte Buche am Königshof“
Es geht los
Am 2. Mai 2007 beschloss der Rat der Stadt Mettmann, nicht ganz einstimmig, den Bau eines Gebäudekomplexes an der Königshofstrasse durch den Mettmanner Bauverein (MBV). Der Komplex soll 60 Wohnungen und 1250 qm Gewerbefläche enthalten.
Das Projekt ist in Mettmann umstritten, weil eine Diskussion besteht, ob Mettmann mehr Verkaufsfläche oder mehr Einkaufs-Atmosphäre braucht, um gegen die Nachbarstädte bestehen zu können.
Der MBV ‚verkauft’ das Projekt an Rat und Bürger unter der Namensgebung „Königshofkarree“, „Einkaufszentrum“, oder später „Bebauung am Königshof“. Vorherrschend wird der Einzelhandelseffekt des Projekts betont. Tatsächlich jedoch geht dem Investor MBV hauptsächlich um die 60 Wohnungen in Innenstadtlage.
Gleichzeitig mit dem Bau des „Einkaufszentrums“ stimmt der Rat der Fällung einer sehr seltenen 200-jährigen Blutbuche und ca. 30 Großbäumen zu. In verqualmter Innenstadtlage! Nicht wenigen Ratsmitgliedern ist das zu diesem Zeitpunkt nicht mal bewusst, weil es bei der Vorstellung des Projekts verschwiegen wurde und nicht jede Fraktion ihre Hausaufgaben gemacht hat. (Parallele: CO-Pipeline)
GRÜNE protestieren
Noch im Mai 2007 protestieren die „Grünen“ im Rat der Stadt bei der Verwaltung und in der Öffentlichkeit gegen die Fällung. Dies, sowie eine spontane Unterschriftensammlung, hat wenig Erfolg. Allerdings beschäftigen sich nun einige aufmerksame Bürger mit dem Thema „Fällung der Blutbuche“.
Gründung der Bürgerinitiative (BI)
Aufgrund verschiedener Leserbriefe und Diskussionen in der Bevölkerung gründet sich am 5. Juni 2007 die Bürgerinitiative „Alte Buche am Königshof“ oder „Die Buchenretter“. Mittels Aufruf per Leserbrief finden sich spontan über 100 Menschen in der Gaststätte „Mettmanner Hof“ ein, wovon jedoch nur 60 Platz finden. Zum Sprecher wird Christoph Hütten, zu Vertretungsberechtigten Jens Jachmann und Wolfgang Mense gewählt.
Zweck der BI
Die Bürgerinitiative wird sich um die Rettung der prächtigen Blutbuche kümmern. Sie hat erhebliche Werte. Besonders an diesem Standort, denn dort befahren täglich zwanzigtausend Fahrzeuge, auch sehr viel Schwerlastverkehr, die engen Straßenschluchten. Die Blutbuche saugt mit ihrer Thermik erhebliche Mengen des Schmutzes nach oben weg. Die Bürgerinitiative hat nicht zum Ziel die Bebauung am Königshof zu verhindern.
Strategie der BI
Die Strategie der Bürgerinitiative ist die umfassende Information des Bürgers mittels Pressearbeit, Internet Homepage, BLOG-Tagebuch, Bürgerkonferenzen und einem Info-Bollerwagen in der Fußgängerzone. Weiterhin wird Durchführung eines „Bürgerentscheids“ nach §26 Gemeindeordnung gestartet. Ein Bürgerbegehren/-entscheid ist in Deutschland, auch bei uns in Mettmann, ein nicht gerne gesehenes direkt-demokratische Mittel. Er birgt große Hürden und erheblichen Aufwand für den Bürger. Kräftigen Flankenschutz und wertvolle Hilfe erhalten wir von den Vereinen „Mehr-Demokratie e.V.“ und dem „NABU“. Auch wohl gesonnene Rechtsanwälte geben uns wertvolle Hinweise.
Die Arbeit der BI
Nachdem sich Mitglieder und Helfer der BI konstituiert haben, die juristischen Probleme gelöst sind, die Vorgehensweise abgestimmt, wurde das Bürgerbegehren mit der Sammlung von Unterschriften am 16. Juli 2007 gestartet. 2200 Unterschriften sind notwendig, das selbst gesteckte Ziel ist 5000. Über den Sommer 2007 war die BI omnipräsent. In der Lokalpresse, im WDR-Fernsehen, jeden Mittwoch und Samstag in der Fußgängerzone mit einem zur Unterschriftensammlung umgebauten Bollerwagen. In vielen Geschäften und Institutionen liegen Unterschriftenblätter aus. Obwohl viele Leute aus Sorge vor Nachteilen nicht offen mitmachen, findet sich eine ständig wachsende Zahl Helfer, die „Klinken putzen“.
Konsensbemühungen an erster Stelle
Vertreter der BI sind wochenlang unterwegs, Konsens zwischen Bürgern und deren Bürgervertreter, also den Ratsherren, herzustellen. Mit einer Präsentation auf Papier und elektronisch werden alle im Rat vertretenen Fraktionen besucht. Fast alle Fraktionen geben aufgeschlossen. Nur die CDU hat sich verweigert, lädt uns nur auf öffentlichen Druck ein und ignoriert uns bei dem Termin demonstrativ.
Meetings mit Architekten bei Kluger & Meerkamp, den Planern des MBV, und dem Vorstand des MBV finden statt (im Juli 2007). Bei den Treffen werden die Argumente und der Alternativplan der BI vorgestellt und diskutiert. Alles das war zu diesem Zeitpunkt sehr konsensorientiert.
Ein KO-Argument, stereotyp von Rat, Stadt und MBV vorgetragen, das Einkaufszentrum ließe sich nicht ohne Fällung der Blutbuche realisieren, halten wir für falsch. Sicher ist es nicht Aufgabe einer BI Alternativen zu erforschen, dass sollten die Bürgervertreter anregen. Weil diese sich ihrer „Kundschaft“ verweigern, wird trotz chronischem Geldmangel von einem erfahrenen Stadtplaner ein alternativer Plan erarbeitet. Der Plan des Architekten Manuel Reig beweist, dass ein Einkaufszentrum mit Blutbuche wesentlich mehr Atmosphäre hat.
Bürgerbegehren/Unterschriftensammlung
Am 23. August 2007 ist es soweit. Unter großer Anteilnahme von Bevölkerung und Presse (auch WDR-Fernsehen, Center-TV, Radio Neandertal) übergibt Christoph Hütten über 6000 Unterschriften an Bürgermeister Bodo Nowodworski. Fast dreimal so viele wie nötig. Der BM freut sich riesig über soviel Anteilnahme Mettmanner Bürger für die Belange ihrer Heimatstadt.
Bürgerentscheid in der Ratssitzung
Dienstag, 16. Oktober 2007. Die heutige Ratssitzung hat ungewöhnlich viele Besucher. Der Tagesordungspunkt 6 „Bürgerentscheid zur Blutbuche“ ist der Grund.
Der Rat stimmt ab:
- Die Zulässigkeit des Begehrens ist gegeben
- Der Rat folgt dem Bürgerantrag auf einen Bürgerentscheid
- Datum der Auszählung ist der Sonntag, 16. Dezember 2007
- Freigabe der Kosten für die Durchführung der BE-Abstimmung
Acht Redner melden sich zu Wort:
- Christoph Hütten, BI
- Bodo Nowodworski, Ratsvorsitz, Stadtverwaltung
- Joachim Sander, CDU
- Christian Denstorff, SPD
- Nils Lessing, GRÜNE, Hanna Köster, GRÜNE
- Klaus Müller, FDP
- Hans-Günther Kampen, UBWG
- Ute Stöcker, CDU
Außer die von Nils Lessing und Hanna Köster sind alle Redebeiträge negativ zur Bürgerinitiative. Die vielen und guten Argumente der BI werden entweder ignoriert oder heruntergespielt. Wir befinden uns auf rein politischem Terrain, nicht auf der Konsensebene. Beunruhigend erscheint die Denkweise der Räte: Der Bürger hat uns gewählt und soll uns jetzt in Ruhe lassen. Wir wissen besser, was für die Stadt gut ist.
Die Bürgerentscheid-Abstimmung läuft
Vom 24. Oktober bis 16. Dezember 2007 läuft die Abstimmung. Leider mit Hindernissen für abstimmungswillige Bürger. Das offensichtlich bewusst behindernde und teure Verfahren zur Erlangung des Stimmscheins und der Abgabe ist zu umständlich. Die Satzung, die das regelt, wurde 2005 von allen unseren Ratsherren – außer GRÜNE – so bestimmt. Sehr gut: Man kann im Bürgerbüro zu den normalen Öffnungszeiten abstimmen. So sind die genannten Hindernisse erträglicher. Auch das Beantragen des Stimmschein per www.mettmann.de ist von der Verwaltung bürgerfreundlich gemacht.
Negatives
Während der Wochen, in denen die Abstimmung läuft, gibt es einige Vorfälle (siehe großes Logbuch). Angriffe von einzelnen Ratsmitgliedern, auch von ganz wenigen Pressevertretern werden so persönlich, dass der BI-Sprecher Christoph Hütten sich aus der Schusslinie zieht. Die sauberen, glasklaren Argumente, die immer hoch gehaltene Konsensorientierung der Bürgerinitiative zählen nicht. Jetzt zählt nur noch die politische Seite. Und die ist schmutzig; zumindest in dem Fall.
Positives
Die Mitglieder der BI erfahren viel positiven Zuspruch von Bürgern. In der per Leserbrief oder beim Werben für den Bürgerentscheid in der Fußgängerzone. Wir „fühlen“, dass wir im Hintergrund eine Menge Befürworter haben, die sich nicht in die Öffentlichkeit trauen, z.B. aus geschäftlichen Gründen.
Dazu gehören auch einflussreiche Geschäftsleute, die verstanden haben: Mettmann wird nie mit der Größe von Verkaufsfläche konkurrieren können, sondern nur mit mehr Atmosphäre beim Einkaufen im vorhandenen Einzelhandel. Eine schädliche Verschiebung mit Lehrstand in gewachsenen Strassen ist die Folge. Mit dem Zubetonieren mit zehntausend Quadratmetern am Königshof macht Mettmann den gleichen Fehler wie schon so viele Städte, die allerdings teilweise schon wieder zurückbauen.
Sonntag, 16. Dezember 2007 - Bürgerentscheid am Quorum gescheitert
„Soll die alte Blutbuche bei der geplanten Bebauung Am Königshof erhalten werden?“
Auf diese Frage wurde per Stimmzettel so abgestimmt:
Mit JA stimmten: 4.361
Mit NEIN stimmten: 2.206
Ungültige Stimmen: 60
Gesamtstimmzahl: 6.627
Abstimmungsberechtigte: 31.395
20% Quorum beträgt: 6.279
Der Bürgerentscheid ist formal gescheitert. Durchaus voraussehbar, denn die vom Gesetz geforderte Anzahl JA-Stimmen von 20% wird bei Bürgerentscheiden selten geschafft. 70% der Mettmanner Bürger haben noch nicht einmal ihren Stimmzettel angefordert. Jedoch haben 66% für die alte Blutbuche gestimmt, also eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Ein glasklar erkennbarer Bürgerwille. Für den, der erkennen will.
Die BI arbeitet weiter
Kommunalpolitik, Verwaltung und Investor MBV finden es unmöglich, dass die BI trotz verlorenem Bürgerentscheid einfach frech weiter für die Buche kämpft. Nun, was haben die denn gedacht? Wir haben 4361 JA-Stimmen plus Dunkelziffer als Mandatsgeber. Selbstverständlich macht die BI weiter mit Aktionen, Werbemaßnahmen und Pressearbeit.
Starkes Stück
Was passiert, wenn eine BI alle Möglichkeiten ausschöpft? Das Weitermachen der BI „Alte Buche“ macht einige Politiker nervös. In 2009 steht Neuwahl an. Es muss unbedingt Ruhe einkehren. Ganz besonders die CDU ist durch ihr Verhalten stark in der öffentlichen Kritik. Ein Machtbeweis muss her. Die frisch eingesetzte CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Stöcker denkt sich eine folgenschwere Strategie aus. Ute Stöcker macht als Stein des Anstoßes die Blutbuche und die alte Grundschule an der Schulstrasse aus. Beide Objekte müssen schnellstens weg.
Die CDU-Strategie „Buche weg = Bürgerinitiative weg“
Die SPD-Leute kann Ute Stöcker diesmal nicht überzeugen, die GRÜNEN sowieso nicht. Denn es gibt keinen einzigen Grund zur Fällung, außer dass Totschlagen der BI. Und soweit geht die SPD nicht. Trotzdem gelingt es Frau Stöcker, die Vorsitzkollegen Hans-Günther Kampen von der UBWG und Klaus Müller von der FDP zu überzeugen. Mit deren Hilfe stellt Ute Stöcker einen bürgerverachtenden, machtdemonstrierenden Eilantrag für die Planungsausschusssitzung im Februar 2008. Einziges Ziel ist der lästigen BI den Boden zu entziehen.
Am 13. Februar 2008 findet die folgenschwere Planungsausschusssitzung statt. Der Antrag von CDU, UBWG und FDP geht trotz der Gegenstimmen von SPD und GRÜNE durch.
- Die Verwaltung muss die Blutbuche bis zum 25. Februar 2008 fällen lassen
- Das alte Schulgebäude, unser potentielles Vereinshaus, wird schnellstmöglich abgerissen.
- Die 200.000 Euro dafür wird aus der Stadtkasse freigegeben.
Erledigt. Die Bürgerinitiative „Alte Buche am Königshof“ ist endgültig tot. So denken die Fraktionsvorsitzenden Ute Stöcker, Hans-Günther Kampen und Klaus Müller.
Die Tage nach der Entscheidung waren turbulent. Die Presse schreibt ungewöhnlich ausführlich und pro Buche. Die Bevölkerung schreit auf, protestiert wegen der Fällung, den 200.000 Euro-Deal und den unsäglichen Affront gegen BI und Bürger.
Blutbuche ist gefällt
6 Uhr 55, ein kühler, sonniger Mittwoch, trotzdem ein richtig trauriger, Tag, der 28. Februar 2008. Ein schwarzer Tag für Mettmann. Nachdem Mettmanner Gartenbaubetriebe den Auftrag ablehnet haben, ist sich die Firma Fliege aus Gruiten nicht zu schade, die historische, seltene und klimawirksame Blutbuche zu fällen. Na ja, für 4000 Euro plus Verwertungsmöglichkeit des Holzes… Um 11 Uhr ist das letzte Erbe des Hotel Vogel/Tönnchen erledigt. „Sicherheitshalber“ wird die Lokalpresse über den genauen Fälltermin erst am selben Tag morgens per eMail informiert. Ein bedauerliches Versehen, so die Stadt. Die Telefonkette der BI hat die Journalisten gerade noch rechtzeitig informiert.
Wieder hagelt es von überall Proteste und Bekundungen von Unverständnis für eine solch dumme, unnötige Aktion. Nicht die BI-Leute, sondern teilweise unbekannte Mitmenschen setzen eine Todesanzeige in die Zeitung, legen einen großen Kranz mit Schleifen am Buchenstumpf nieder und wieder andere zünden ein Meer von Kerzen an. Ein wenig makaber, aber der Sache angemessen. Wirft die Tat doch ein trauriges Licht auf Demokratieverständnis und Umgang mit dem Bürger einzelner Bürgervertreter bei CDU, UBWG und FDP. Noch Tage und Wochen nach der Fällung kommen Mitbürger zur alten Blutbuche. Sie sehen sich den riesigen Stumpf entsetzt an, fotografieren, filmen, nicht wenige weinen. Nun hat Mettmann sogar einen eigenen Pilgerpfad, den Jakobsweg: Vierzig Meter vom Schulhof bis zum Buchenstumpf.
Die Bürgerinitiative „Alte Buche am Königshof“ ist nicht aufgelöst, sie ruht. Sie ruht sich aus. Web-Seite mit Gästebuche und der Tagebuch-BLOG bleiben aktiv und für jedermann zugänglich. Wir planen im Frühjahr 2009, rechtzeitig zur Kommunalwahl im Juni 2009, eine umfassende Aufklärungsaktion, sodass unser Schützling nicht vergeblich gestorben ist.